Leben mit Reizblase
Wie Birgit Bulla sich mit ihrer Reizblase angefreundet hat
Über die Blase herrscht viel Stillschweigen – vor allem dann, wenn sie Probleme macht. Das hat auch Birgit Bulla, bekannt als Pinkelbelle, erlebt. Die Redakteurin und Autorin lebt mit einer Reizblase: Starker Harndrang und häufiges Wasserlassen gehören zu ihrem Alltag. Um das Tabuthema Reizblase zu brechen, hat sie sich intensiv mit der menschlichen Blase auseinandergesetzt. Dabei hat sie Schritt für Schritt angefangen, sich mit ihrer überaktiven Blase zu arrangieren. Wie sie das geschafft hat und welche Tipps sie Dir mit auf den Weg geben kann, liest Du hier.
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Woran Du eine Reizblase erkennst
Eine Reizblase macht sich vor allem durch häufigen Harndrang bemerkbar – und das, obwohl die Blase nicht einmal vollständig gefüllt ist. Beim Wasserlassen verlieren Betroffene dann nur kleine Mengen Harn und die gewünschte Linderung des Harndrangs nach dem Toilettengang bleibt leider aus. Zu den typischen Beschwerden zählen außerdem krampfartige Schmerzen im Unterleib und Brennen beim Wasserlassen.
Wenn die Blase sich plötzlich verändert
Auch Birgit Bulla beschreitet seit einigen Jahren ihren Alltag mit Reizblase. Sie war 27 Jahre alt, als sich die Reizblase das erste Mal bemerkbar gemacht hat. Was damals zunächst eine große Umstellung war, hilft Birgit nun dabei, anderen Betroffenen Mut zu schenken. Auf ihrem Blog Pinkelbelle.de kannst Du dich über verschiedene Themen rund um die Reizblase belesen: Wie oft Wasserlassen ist normal? Welche Arten der Inkontinenz gibt es? Und wie laufen Untersuchungen der Blase eigentlich ab? Über all das und mehr klärt die Autorin des Buches „Noch ganz dicht? Alles Wissenswerte über die Blase“ auf: informativ, nahbar und mit einem leichten Zwinkern im Auge. Für Vivoy hat sie sich die Zeit genommen, um über ihre persönlichen Erfahrungen zum Leben mit Reizblase zu sprechen.
Liebe Birgit, woran hast Du gemerkt, dass sich Deine Blase verändert?
„Oft pinkeln musste ich immer schon. Ein, zwei Kaffee am Morgen oder ein paar Drinks und ich musste etwa alle 20 Minuten. Verändert hat sich das, als ich mit meiner Zwillingsschwester in den USA war. Wir haben einen dreimonatigen Roadtrip gemacht und waren ständig unterwegs. In San Francisco habe ich gemerkt, dass mit mir und meiner Blase irgendetwas ganz und gar nicht stimmt. Meine Schwester wollte ein Foto von mir machen und plötzlich verspürte ich einen so enormen Druck auf der Blase. Als ob ich den ganzen Tag nicht auf die Toilette gegangen wäre. Und so plötzlich, der Drang kam von Null auf 100. Instinktiv habe ich mich dann hingekniet und meinen Beckenboden gegen meine Ferse gedrückt. Das hat den Druck für kurze Zeit etwas gemildert. Danach bin ich schnell los auf die nächste Toilette, doch typisch für eine Reizblase kam nur eine geringe Menge Urin aus meiner Harnröhre. Von da an musste ich etwa alle 15 Minuten auf die Toilette.“
Was waren psychische, aber auch alltägliche Herausforderungen, vor die Dich Deine Reizblase gestellt hat?
„Gerade am Anfang hatte ich Angst rauszugehen. Weil ich nicht wusste, was ich machen soll, wenn ich nicht rechtzeitig auf die Toilette komme. Abends beim Feiern, wenn die Toilettenschlange einen halben Kilometer ging. Unterwegs in einer fremden Stadt, wo ich nicht wusste, wo die nächsten Toiletten waren. Schrecklich! Ich habe mich natürlich irre geschämt. Weil es die Leute, die dieses Problem nicht haben, natürlich auch nicht verstehen können. Wie auch? Ich würde es ja selbst nicht tun.“
Irgendwann habe ich dann angefangen, offen darüber zu reden und Witze zu machen. Und das hat mir geholfen. Es hat dem Ganzen den Schrecken und dieses riesige Tabu genommen.
Wie hast Du Deine Reizblase akzeptiert und welche Tipps für den Alltag möchtest Du mit anderen Betroffenen teilen?
„Ich weiß gar nicht, ob ich meine Reizblase wirklich akzeptiert habe. Eher habe ich mich mit ihr arrangiert. Es geht ja nicht anders. Sie ist eben ein Teil von mir und wir müssen uns irgendwie anfreunden. Und ich muss dazu sagen, dass mir die Botoxbehandlungen sehr helfen. Seit etwa fünf Jahren lasse ich mir einmal im Jahr Botox in die Blase spritzen. Das legt den Blasenmuskel etwas lahm, sodass ich nicht mehr so oft und so dringend auf die Toilette muss. Dafür bin ich echt dankbar.“
Botoxbehandlung bei Reizblase
Fragst auch Du Dich, wie Du Deine Reizblase beruhigen kannst? Schlägt die konservative Behandlung nicht an, ziehen Ärztinnen/Ärzte mittlerweile eine Behandlung mit Botox in Betracht. Dabei wird das Botox in die Blasenmuskulatur injiziert. Dort hemmt es die Nervenimpulse, die normalerweise dafür sorgen, dass sich der Blasenmuskel bei voller Blase zusammenzieht. Diese Behandlung solltest Du allerdings gut durchdenken und gemeinsam mit Deiner Ärztin/Deinem Arzt alle Risiken und Nebenwirkungen abwägen.
Birgits Buch: „Noch ganz dicht?“
Was hat Dich dazu bewegt, ein Buch über Deine Reizblase zu schreiben?
„Ich dachte mir, dass es nicht sein kann, dass ich die einzige Person auf dieser Welt bin, die Probleme mit der Blase hat. Viele trauen sich einfach nur nicht, offen darüber zu sprechen. Deswegen habe ich erst mit dem Blog „Pinkelbelle“ angefangen. Da ich Redakteurin bin und sowieso den ganzen Tag schreibe, dachte ich mir, dass ein Buch der nächste logische Schritt ist. Und so ist es auch gekommen. Mit dem Buch will ich anderen Betroffenen Mut machen, offener zu sein und sich Hilfe zu holen. Man kann eine Reizblase behandeln. Aber eben nur, wenn man sich dem Problem offen stellt und Hilfe zulässt.“
Gibt es etwas, das Dich bei der Recherche zu Deinem Buch besonders erstaunt hat?
„Ich finde es sehr erstaunlich und auch traurig, dass er komplette Harnapparat eher aus der männlichen Perspektive gesehen wird. Vieles dreht sich um die männliche Blase und Prostataprobleme. In Medizinbüchern fingen die Themen über die weiblichen Blasenprobleme, wie Entzündungen, erst im letzten Drittel an. Das bestätigt sich auch, wenn man in eine urologische Praxis geht. Im Wartezimmer sitzen meistens nur Männer. Als junge Frau fühlt man sich da etwas fehl am Platz, als hätte man sich in der Tür geirrt. Leider haben mir Ärztinnen/Ärzte diese Theorie auch oft bestätigt. So nach dem Motto ‚Mit der weiblichen Blase kenne ich mich gar nicht so aus, darauf ist unsere Praxis nicht spezialisiert.‘ Das ist wirklich sehr schade.“
Wusstest Du schon…?
Auch als Frau ist es ratsam, bei Blasenproblemen einen Urologen/eine Urologin aufzusuchen. Medizinisch gesehen ist diese Ärztegruppe nämlich nicht nur auf die männlichen Geschlechtsorgane spezialisiert, sondern vor allem auf Beschwerden am Harntrakt. Wenn Du Dir unsicher bist, ob ein Urologe/eine Urologin in Deiner Nähe Deine Blasenschwäche optimal behandeln kann, informiere Dich vorab in der Praxis nach der Spezialisierung des Arztes/der Ärztin.
Was waren die Reaktionen von anderen Betroffenen auf Dein Buch/auf das Thema Reizblase?
„Ich fand es sehr interessant, wie positiv die Leute auf das Buch und auch den Blog reagiert haben. Meine Theorie, dass es so viele Menschen gibt, die Probleme mit der Blase haben, hat sich also bestätigt. Ich bekomme viele Nachrichten mit Fragen zu Untersuchungen oder Ängsten von verschiedenen Betroffenen. Da helfe ich natürlich gerne. Ich weiß ja, wie es sich anfühlt, allein mit dieser Diagnose zu sein.“
Damals hätte ich mir auch eine Person gewünscht, die offen und ehrlich über ihre Erfahrungen mit der Reizblase berichtet. Das hätte mir viele Unsicherheiten und Sorgen genommen.
Mit Deiner Reizblase bist Du nicht allein
Inzwischen ist Birgit Bulla eine echte Expertin auf dem Gebiet der Blase und hilft anderen Betroffenen einer Reizblase mit ihrem Buch und ihrem Blog. Und das, obwohl sie vor ein paar Jahren selbst total überrumpelt von den Veränderungen ihrer Blase war. Du siehst: Blasenschwäche kann auch schon in jungen Jahren auftreten – und das ist nichts, wofür Du Dich schämen solltest.
Wir hoffen, dass Dir dieser Erfahrungsbericht ein wenig Mut macht und Dir zeigt, dass Du mit Deiner Reizblase nicht allein bist. Und wer weiß, vielleicht finden sich in Deinem Freundes- und Bekanntenkreis ja noch mehr Menschen, die nur darauf warten, dass Du das Tabuthema rund um die Blase brichst. Also traue Dich!
Häufig gestellte Fragen
Schlagen konservative Behandlungsmethoden nicht an, kann in Absprache mit der Ärztin/dem Arzt eine Botoxinjektion erwogen werden. Das Botox sorgt in der Blasenmuskulatur dafür, dass sich die Harnblase beruhigt, wodurch folglich der Harndrang gehemmt wird.
Zur schnellen Therapie einer Reizblase zählt eine Behandlung mit Botox als erfolgversprechend. Auch eine Ernährungsumstellung, das richtige Trinkverhalten und Blasentraining können als unterstützende Maßnahmen in Betracht gezogen werden.
Insbesondere Urologinnen/Urologen können eine Reizblase zielführend diagnostizieren und behandeln, da sie auf Erkrankungen der Harnorgane spezialisiert sind. Frauen sollten zusätzlich eine Gynäkologin/einen Gynäkologen aufsuchen, um Zysten oder andere gynäkologische Erkrankungen als Grund für die Reizblase ausschließen zu können.